Denning weist darauf hin, daß in diesem Fall keinerlei Abhörmöglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden mehr bestünden. Die Arbeit der Polizei werde dadurch stark eingeschränkt. Das wird durch ein Zitat eines Polizisten aus dem Bundesstaat New York belegt, der für diesen Fall "havoc" ("Verwüstungen") in den gesamten Vereinigten Staaten befürchtet.
Professor Denning verneint die Möglichkeit illegaler Abhöraktionen durch Regierungsstellen. Das System der beiden Treuhandstellen biete hinreichendenden Schutz davor. Der starke Verschlüsselungsalgorithmus gewährleiste, daß kein unbefugtes Abhören - durch wen auch immer - möglich sei. Nur die Strafverfolgungsbehörden könnten bei Vorlage eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses die Codeschlüssel ausgehändigt bekommen und damit dann abgehörte Kommunikation entschlüsseln.
Dem Argument der Clipper-Chip-Gegner, daß Schwerkriminelle wie zum Beispiel Terroristen nicht so dumm sein würden, den Chip trotz seiner eingebauten Abhörmöglichkeit zu benutzen, hält Denning den Fall der Terroristen entgegen, die nach dem Attentat auf das World Trade Center so dumm waren, am selben Tag einen von ihnen gemieteten Lastwagen zurückzugeben. Sie führt dieses Beispiel stellvertretend für alle Kriminellen an. Professor Denning geht also davon aus, daß Kriminelle grundsätzlich dumm sind - eine äußerst fragwürdige und durch nichts zu rechtfertigende Erkenntnis.
Ebenfalls anhand nur eines einzigen Beispiels behauptet sie weiterhin, das Abhören von Telefongesprächen sei ein äußerst wichtiges Hilfsmittel bei der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten. In Chicago sei durch eine Abhöraktion des FBI eine von der Libyschen Regierung unterstützte Straßengang daran gehindert worden, unter Benutzung eines gestohlenen militärischen Waffensystems ein Flugzeug abzuschießen.
Professor Denning betont, die Genehmigung von Abhöraktionen sei an enge Voraussetzungen geknüpft und auf die Schwerkriminalität beschränkt. Ihr selber sei bei dem Gedanken auch nicht wohl, vom FBI überwacht zu werden, genauso wenig wie bei einer Hausdurchsuchung. Aber die Verfassung garantiere auch keinen totalen Schutz vor Hausdurchsuchungen, und das aus gutem Grunde. Daher dürfe auch keine totale Verhinderung von Abhöraktionen zugelassen werden. Aus diesem Grunde verdiene die Clipper-Chip-Initiative Unterstützung, insbesondere von Leuten, denen sowohl das Recht auf Privatsphäre als auch die Notwendigkeit von effektiver Kriminalitätsbekämpfung auf der Datenautobahn bewußt seien.
Professor Dorothy Denning: The Clipper Chip Will Block Crime, Originaltext
Rivest attestiert Professor Denning eine erstaunliche Blauäugigkeit in ihrem Vertrauen auf die Regierung. Die durch den Clipper-Chip gegebenen Abhörmöglichkeiten könnten durchaus mißbraucht werden. Selbst wenn man den derzeitigen Behörden und ihren Mitarbeitern vielleicht trauen könne, sei deshalb noch keineswegs gesagt, daß dies auch für ihre Nachfolger gelte. Falls der Clipper-Chip angenommen werde, müsse unbedingt ein noch stärkeres Kontrollsystem installiert werden, um mit größerer Sicherheit einen Mißbrauch zu verhindern.
Ebenfalls kritisiert wird Dennings Vergleich des Abhörens unter Verwendung des Clipper-Chips mit einer Hausdurchsuchung. Rivest betont, daß die Regierung die Bürger ja auch nicht dazu zwingen darf, Kopien ihrer Haustürschlüssel abzugeben, um der Polizei im Rahmen von Ermittlungsverfahren gerichtlich genehmigte Duchsuchungen zu erleichtern. Ein "leichter Eintritt" in eine Wohnung sei den Strafverfolgungsbehörden nicht garantiert. Genauso, wie es erlaubt sei, sein Haus mit jeder beliebigen Sicherung auszustatten, müsse es auch erlaubt sein, seine Kommunikation mit jedem beliebigen Verschlüsselungssystem zu schützen.
Antwort von Ron Rivest auf Professor Dennings Kommentar, Originaltext
Computer underground Digest, Ausgabe 6.23
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Diskussionsbeiträgen über den Clipper-Chip