Argumente der Clipper-Chip-Gegner

Es besteht ein erhebliches Risiko des Mißbrauches, da den Geheimdiensten (erfahrungsgemäß) nicht vertraut werden kann




Die Gegner des Clipper-Chips befürchten aus verschiedenen Gründen, daß entgegen den Angaben seiner Befürworter doch ein Mißbrauch möglich ist und daß die NSA von einer derartigen Möglichkeit auch Gebrauch machen wird. Der Geheimdienst hat durch durch sein Verhalten in der Vergangenheit nicht gerade dazu beigetragen, daß ihm von der Bevökerung und insbesondere von Bürgerrechtlern Vertrauen entgegengebracht wird. Deshalb wird ihm auch in diesem Fall mißtraut - wahrscheinlich nicht zu unrecht.

Vier Punkte werden in diesem Zusammenhang von den Clipper-Chip-Gegnern kritisiert:

1. Mit der Einführung des Clipper-Chips ist das Erstellen von detaillierten Kommunikationsprotokollen durch Polizei oder Geheimdienste auch ohne Gerichtsbeschluß möglich. Jeder Chip identifiziert sich bei jeder Kommunikation eindeutig über seine Seriennummer, die lediglich mit dem gemeinsamen family key aller produzierten Clipper-Chips verschlüsselt wird. Dieser unterliegt nicht der Verwahrung der Treuhandbehörden und kann von den Strafverfolgungsbehörden daher ohne gerichtliche Erlaubnis benutzt werden.

Eine Identifikation von Absender und Empfänger einer verschlüsselten Nachricht ist somit auch ohne Dekodierung der eigentlichen Kommunikation möglich. Auf diese Weise kann die Polizei oder ein Geheimdienst in großem Umfang Protokolle darüber anlegen, wer mit wem telefoniert. Durch derartige Kommunikationsprotokolle ist bereits eine Möglichkeit zu einer systematischen Überwachung der Bevölkerung gegeben.

Die Information, wer mit wem kommuniziert, ist für einen Geheimdienst, der (illegalerweise) die gesamte Bevölkerung überwachen will, bereits sehr wertvoll und äußerst aufschlußreich. Somit bietet der Clipper-Chip den Geheimdiensten bereits durch seine eindeutige Identifikation umfangreiche Möglichkeiten zur mißbräuchlichen Überwachung.

2. Gerichtsbeschlüsse zum Abhören werden schon jetzt zu leicht erteilt. Es sind schon Fälle bekannt geworden, in denen ein vager Anfangsverdacht für die Erteilung einen Gerichtsbeschlusses ausreichte. In Zukunft könnte eine noch freizügigere Vergabe von Abhörgenehmigungen zur Regel werden. Ein Verdachtsmoment, das sich zum Beispiel auch aus der Auswertung von Kommunikationsprotokollen ergeben könnte, könnte in Zukunft ausreichen, um einen Gerichtsbeschluß zu erwirken.

Dadurch wird einerseits das Erbringen von Begründungen für Abhör-Anträge erleichtert. Andererseits verringert sich auch der technische Aufwand erheblich, da die (verschlüsselten) digitalen Daten leichter abgefangen werden können und die bei den Treuhandbehörden verwahrten Codeschlüssel die Dekodierung verschlüsselter Telefongespräche ermöglichen. Die technische Vereinfachung des Abhörens, die durch den Clipper-Chip gegeben ist, könnte eine mißbräuchliche Ausweitung der Überwachung von Bürgern ermöglichen.

3. Es besteht die Gefahr einer mißbräuchlichen Herausgabe der Codeschlüssel. Dies könnte einerseits durch Korruption geschehen, wobei es erforderlich wäre, jeweils einen verantwortlichen Mitarbeiter der beiden Treuhandstellen zu bestechen. Ein illegaler Zugriff solcher Mitarbeiter auf die Code-Datenbanken könnte möglicherweise sehr schwer nachzuweisen sein, so daß durchaus die Möglichkeit besteht, daß bei Zahlung einer entsprechend hohen Geldsumme Codeschlüssel in die falschen Hände geraten könnten.

Auch andere Möglichkeiten der Beeinflussung sind denkbar. Zum Beispiel könnte von Mitgliedern der Regierung oder anderer Institutionen politischer Druck ausgeübt werden, um eine illegale Herausgabe von Codes zu bestimmten Zwecken zu erzwingen. In diesem Zusammenhang wird oft der Watergate-Skandal als Beispiel für illegale Aktionen im Auftrag des Präsidenten angeführt.

Dabei wird eine Beeinflussung durch die Regierung durch die Tatsache begünstigt, daß beide Treuhandbehörden der Exekutive angehören - sowohl das National Institute of Standards and Technology, das dem Department of Commerce unterstellt ist, als auch die Automated Systems Division im Treasury Department Dadurch ist in diesem Fall keine gegenseitige Kontrolle der drei Staatsgewalten ("system of checks and balances") gegeben, wie sie in der Verfassung vorgesehen ist. Dieser Punkt wurde sogar vom Vizepräsidenten Al Gore kritisiert.

Im übrigen wird das NIST von den Gegnern des Clipper-Chips nicht als vertrauenswürdiger Treuhänder angesehen, da es in vielen Bereichen eng mit der NSA zusammenarbeitet. Eine derart eng mit dem Geheimdienst verflochtene Behörde könnte im Sinne einer "guten Zusammenarbeit" eigenmächtig der NSA Sonderrechte einräumen oder ihr den Zugriff auf die Code-Datenbanken anderweitig erleichtern. Dadurch ist ebenfalls die Gefahr einer mißbräuchlichen Überwachung gegeben.

4. Es ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, daß sich die NSA als Entwickler des Clipper-Chips eine Möglichkeit offengelassen hat, auch ohne die bei den Treuhandstellen aufbewahrten Codes verschlüsselte Kommunikation abhören und entschlüsseln zu können. Wegen der Geheimhaltung des SKIPJACK-Algorithmus kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Geheimdienst eine derartige "Hintertür" eingebaut hat, um nicht von Gerichtsbeschlüssen abhängig zu sein. Da bisher kein vernünftiger Grund für die Nichtveröffentlichung von der NSA genannt wurde (eine Gefahr für die nationale Sicherheit bei Freigabe des Algorithmus wurde bis jetzt nicht bewiesen), gilt die strenge Geheimhaltung sogar als eines der Hauptanzeichen für die Existenz einer "Hintertür".

Gerade die NSA ist für illegale Abhöraktionen bekannt. In der Zeit des Kalten Krieges gab es viele derartige Fälle. Es gibt keinen Grund, diesem Geheimdienst ausgerechnet im Fall des von ihm entwickelten Clipper-Chips zu vertrauen. Bürgerrechtler betrachten schon allein diesen Punkt als ausreichenden Grund, um die Verbreitung des Chips nicht zuzulassen. Sie befürchten, daß die NSA mit Hilfe einer in den Clipper-Chips eingabauten "Hintertür" eine umfangreiche illegale Überwachung der Bevölkerung durchführen könnte.

Auf diese Weise könnten beispielsweise ohne Wissen der Öffentlichkeit Dossiers über Bürger mit mißliebigen Ansichten angelegt werden. Ein geringer Vorwand könnte dann dazu genutzt werden, ein Verfahren gegen solche Personen in die Wege zu leiten, um sie aus dem Verkehr zu ziehen. Dies würde eine faktischen Einschränkung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung bedeuten: Jeder Bürger müßte Angst haben, bei einer von der NSA als gefährlich betrachteten Aussage vom Geheimdienst als Staatsfeind eingestuft zu werden.

Die Folgen könnten für den betreffenden Bürger in einer verschärften Überwachung oder sogar in der Einleitung eines Verfahrens gegen ihn bestehen. Im Extremfall könnten auch falsche Beweise erzeugt werden, um die betreffende Person als Straftäter hinzustellen - wenn man dem "Staatsfeind" keine wirkliche Straftat nachweisen kann, dann "muß man eben andere Mittel anwenden, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen".

Der Übergang zum Polizeistaat ist an dieser Stelle fließend. Als klassische Beschreibung eines derartigen Staates gilt das Buch "1984" von George Orwell. Orwell beschreibt darin das Leben in einem fiktiven totalitären Staat "Oceania", in dem die Bürger kein Recht auf Privatsphäre haben und ein allmächtiger Geheimdienst alles und jeden überwacht. Dieser wird im Buch personifiziert als "Big Brother", und dieser Ausdruck ist seither zur Metapher für totale Überwachung durch Geheimdienste geworden.

Die Gegner des Clipper-Chips befürchten, daß der Clipper-Chip (mit einer eingebauten "Hintertür" für eine unkontrollierbare Überwachung) der NSA die Möglichkeit geben könnte, die Bevökerung in einem derartigen Maße zu bespitzeln. Der Geheimdienst ist dafür bekannt, daß er die ihm zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten auch in vollem Maße ausnutzt. Bürgerrechtler sehen daher durch den Clipper-Chip die Gefahr eines Orwell'schen "Big Brother" gegeben.


Gegenargument der Clipper-Chip-Befürworter



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