Argumente der Clipper-Chip-Gegner

Der Clipper-Chip ist zur Kriminalitätsbekämpfung ungeeignet




Die Gegner des Clipper-Chips bezweifeln seinen Nutzen für die Kriminalitätsbekämpfung. Es gibt so viele Möglichkeiten, die eingebaute Abhörbarkeit zu umgehen, daß ihr Effekt gleich Null wäre. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn für einen derartigen Versuch mit so geringen Erfolgsaussichten mit großem Aufwand die Telefone aller amerikanischen Bürger abhörbar gemacht würden.

Ein wichtiger Angriffspunkt ist das sogenannte Law Enforcment Access Field, das den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf mit dem Clipper-Chip verschlüsselte Kommunikation erlauben soll. (Siehe dazu die Technische Beschreibung des Clipper-Chips.) Ein Computer-Spezialist hat herausgefunden, daß es mit etwas Sachkenntnis und verhältnismäßig geringem Aufwand möglich ist, ein scheinbar korrektes LEAF zu fälschen. Dadurch würde die Entschlüsselung für die Polizei unmöglich.

Eine zusätzliche Verschlüsselung der Kommunikation mit einem sicheren Software-Programm würde ebenfalls ein erfolgreiches Abhören verhindern, und man bräuchte sich nicht einmal die Mühe zu machen, ein "korrektes" LEAF zu fälschen, damit der empfangende Chip die Botschaft annimmt. Die übermittelten Daten würden nicht als unkorrekt zurückgewiesen, und in der Tat sind sie ja aus Sicht des Chips auch korrekt: Sie wurden mit dem richtigen Code verschlüsselt, und der Chip kann nicht zwischen "normalen" Audio-Daten und vorverschlüsselten Daten unterscheiden.

Im übrigen wäre es völlig verfehlt, anzunehmen, daß Drogenhändler, Terroristen oder Spione (die üblichen Ziele von Abhörmaßnahmen) freiwillig Verschlüsselungsgeräte zu benutzen, von denen sie genau wissen, daß eine Abhörmöglichkeit für die Strafverfolgungsbehörden schon eingebaut ist. Kein auch nur einigermaßen schlauer Krimineller würde den Clipper-Chip benutzen, solange es Alternativen gibt - oder er würde seine Kommunikation mit irgendeiner Codierungs-Software zusätzlich verschlüsseln und somit der Polizei den Zugriff darauf entziehen.

Diese Problematik ist natürlich auch der NSA nicht völlig entgangen (auch wenn man dies manchmal bezweifeln möchte; siehe dazu das Gegenargument der Clipper-Chip-Befürworter). Aus diesem Grund fordert sie vehement einen gesetzlichen Zwang zur Benutzung des Clipper-Chips und ein generelles Verbot aller anderen Verschlüsselungsverfahren. In diesem Fall, so argumentiert der Geheimdienst, bliebe den Terroristen und Spionen gar nichts anderes übrig, als die abhörbaren Geräte zu benutzen.

Diese Forderung der NSA wird aus mehreren Gründen aufs schärfste kritisiert. Zunächst einmal würde ein solches Verbot spürbare Einbußen für die amerikanische Software-Industrie bedeuten, die dann keine eigenen Verschlüsselungsprogramme mehr verkaufen dürfte. Der Markt für kommerzielle Kryptographie-Programme ist groß, entsprechend könnten den Unternehmen Gewinne in Millionenhöhe entgehen.

Eine weitere negative Konsequenz wäre die Verhinderung jeglicher Innovationen auf dem Gebiet der Kryptographie. Wenn der Verkauf von Codierungsprogrammen verboten und ihre Benutzung strafbar wäre, würde niemand mehr neue Ideen zur Verschlüsselung ausarbeiten. Dies würde zu einer totalen Stagnation auf dem Gebiet der Kryptographie führen. Letztendlich wäre vielleicht sogar die Gefahr gegeben, daß bei einer anhaltend schnellen technologischen Weiterentwicklung die Rechenleistung der Computer irgendwann so groß wird, daß man mit ihr (mangels neuer Entwicklungen) jedes existierende Codierungsverfahren innerhalb kurzer Zeit knacken könnte. Damit wäre die Möglichkeit zur sicheren Übermittlung digitaler Daten nicht mehr gegeben.

Bürgerrechtler, die die Clipper-Chip-Diskussion aufmerksam verfolgt haben, kritisieren außerdem, daß das von der NSA geforderte Verbot einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des einzelnen Bürgers darstellen würde. Der Zwang zur Abhörbarkeit wird als faktische Einschränkung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung angesehen. Der einzelne Bürger könne in diesem Fall einerseits nicht mehr sagen, was er wolle (aus Angst vor eventuellen Strafmaßnahmen durch abhörende Behörden). Andererseits werde er auch in seinem verfassungsmäßigen Recht eingeschränkt, sich in der Art und Weise äußern zu dürfen, wie er wolle. Genauso, wie die Regierung es ihren Bürgern nicht verbieten könne, Spanisch oder Hebräisch zu sprechen, habe sie auch kein Recht, es ihnen zu verbieten, quasi "verschlüsselt zu sprechen" - durch die Benutzung von Kryptographie-Programmen.

Es gibt noch ein weiteres wesentliches Argument gegen die Verbotspläne der NSA. Für die Belange der Strafverfolgung ist es sogar das wichtigste. Das beabsichtigte Verbot soll Kriminelle dazu zu zwingen, ihre Kommunikation durch die Benutzung des Clipper-Chips (und keiner anderen Verschlüsselung) abhörbar zu machen. Jedoch würde es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht den beabsichtigten Effekt haben: Warum sollten Menschen, die sich über die Gesetze gegen Drogenhandel, Spionage oder Terrorismus hinwegsetzen, ausgerechnet gesetzliche Vorschriften zur Benutzung abhörbarer Telefone beachten?

Es ist wohl kaum zu erwarten, daß Drogendealer, bezahlte Killer und andere skrupellose Verbrecher sich beim Telefonieren plötzlich in gesetzestreue Bürger verwandeln und brav der Polizei die ins Telefon eingebauten Abhörmöglichkeiten gestatten. Wahrscheinlicher ist, daß bei einem Verbot sicherer Verschlüsselungsverfahren nur noch Kriminelle diese Verfahren benutzen würden: "If cryptography is outlawed, only outlaws will have cryptography." Erst recht würden Terroristen und Spione, die sich in den meisten Fällen ohnehin modernster Technik bedienen, einen Weg finden, die Abhörmöglichkeiten von Polizei und Geheimdiensten zu umgehen.

Im übrigen stellt das Abhören von Telefonen ohnehin kein besonders wichtiges Hilfsmittel bei der Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten. Es wird nur selten angewandt - in weniger als 900 Fällen pro Jahr in den gesamten Vereinigten Staaten. Und die wenigen, aber dafür um so öfter zitierten, spektakulären Erfolge können nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Nutzen des Abhörens eher begrenzt ist. Schätzungen gehen davon aus, daß zum Beispiel höchstens jeder tausendste Mordfall durch derartige Maßnahmen leichter aufgeklärt werden könnte.

Die Möglichkeit, daß die Aufklärung eines von tausend oder Morden dadurch erschwert wird, daß der Täter seine Telefongespräche mit einem für die Polizei nicht entschlüsselbaren Code verschlüsselt, fällt nicht so stark ins Gewicht, als daß sie einen derart schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des einzelnen Bürgers rechtfertigen würde, wie sie der geforderte Zwang zur ausschließlichen Benutzung des Clipper-Chips darstellt.


Gegenargument der Clipper-Chip-Befürworter



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